Interview mit Dr. Wolfgang Sawazki
„Wir haben uns selbst Leitplanken gegeben“
Im Gespräch erläutern Dr. Wolfgang Sawazki, Vorstand Landert Family Office AG, und Thomas Pethofer, Manager Landert Stiftungsfonds, das Anlagekonzept bei Aktien und Renten, die Bestandteile des Risikomanagements sowie die Notwendigkeit eines aktiven Managements.Wie kam Ihr Haus einst dazu, einen Stiftungsfonds aufzulegen?
Dr. Wolfgang Sawazki: Landert ist eigentlich eine Investment-Management-Boutique, die ursprünglich vor 30 Jahren als Researchhaus von unserem Namensgeber Dr. Gerhard Landert gegründet wurde. Nachdem dann sehr große Unternehmerfamilien betreut wurden, wurde aus dem Researchhaus ein Asset Manager. Als solcher arbeiten wir für Unternehmerfamilien, Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen. Letztere sind also ein ganz maßgeblicher Mandantenkreis für uns. Wir stellten dann fest, dass es aber nicht nur die großen Stiftungen mit eigenen Stabsabteilungen für die Kapitalanlage gibt, sondern eben auch kleinere, die ihre Kapitalanlage delegieren sollten. Früher haben diese Stiftungen Bundesanleihen gekauft mit 6% Kupon, wovon sie ihren Stiftungszweck ganz wunderbar erfüllen konnten. Nur sind diese Zeiten mittlerweile vorbei. Wir haben dann mit Seed-Investoren aus dem Stiftungsbereich den Fonds aufgelegt, mit der Idee, diesen zu einer ertragsstarken und kosteneffizienten Plattform für die Kapitalanlage kleinerer Stiftungen zu machen. Stiftungen wird es damit ermöglicht, an einem professionellen Investmentmanagement teilzunehmen.
In was investieren Stiftungen also in dem Fonds?
Sawazki: Der Landert Stiftungsfonds ist ein Mischfonds, der auf einen Aktien- und einen Rentenbaustein setzt. Stiftungen brauchen ordentliche Erträge, entsprechend bauten wir ein Mischfondsmandat, dessen Risiko nicht höher ist als das eines Rentenfonds, das aber planbare Erträge erwirtschaftet, damit Stiftungen ihre Auszahlungsverpflichtungen von 3 oder 4% erfüllen können. Es ist ja nicht so, dass ein reiner Rentenfonds weniger Risiko in sich birgt als ein Fonds mit 20% Aktien und 80% Anleihen. Dafür sorgen die unterschiedlichen Reaktionen auf Konjunkturveränderungen. Außerdem gibt einem ein Mischfonds zwei Quellen für ordentliche Erträge an die Hand, die Dividenden und den Kupon. Und natürlich lassen sich derzeit die für Stiftungen notwendigen Erträge mit reinen Rentenportfolios schlicht und ergreifend nicht mehr bewerkstelligen. So kam es zu dieser Mischfondsstruktur, die niedrig volatil ausgelegt ist und kontinuierlich 2,5 bis 3% Ausschüttung zu liefern imstande ist.
Ausschlaggebend hierfür ist zunehmend auch die Aktienseite. Worauf setzen Sie hier?
Sawazki: Wir haben modelliert, heraus kam ein Portfolio mit einem 25 prozentigen Aktienanteil, den wir jedoch nach oben wie unten aktiv anpassen können, und einem Rentenanteil. In einem Mischportfolio hat man gegenläufige Effekte, die das Portfolio ausbalancieren. Wenn der Aktienblock dann noch etwas risikoärmer gestaltet wird, etwa über die Auswahl von ertragsstarken und -konjunkturstabilen Unternehmen und die Beimischung von stabilisierenden Corporate Events, dann lassen sich auf der anderen Seite weitere Chancen durch die Investition in Champions im Mittelstand nutzen. Das Ganze managen wir sehr aktiv. Als der Brexit auf die Agenda rückte, haben wir den Aktienanteil auch mal auf 11% reduziert. Als sich dann ab Sommer 2016 eine synchrone Erholung der Weltkonjunktur abzeichnete, ging es wieder nach oben bis auf 30% Aktienquote. Es gibt eben Phasen, wo die Aktienquote aus Risikosteuerungsgründen reduziert werden muss.
Wie sieht das Ganze auf der Rentenseite aus?
Sawazki: Auch dort atmet die Investmentquote. Der Rentenblock ist grundsätzlich dominiert von Unternehmensanleihen, und auch hier sind wir aktiv unterwegs. Wir nehmen also durchaus auch mal Gewinne mit und zeichnen im Gegenzug Neuemissionen. Das ist zur Gänze aktiv, und das müssen wir auch machen, um im Rentenblock das Ziel von 1 bis 3% Rendite erzielen zu können. Wir müssen folglich die Restlaufzeit, das einzelne Kreditrisiko und Neuemissionen genauso im Blick behalten wie beispielsweise den Bereich der nicht gerateten Anleihen, die ähnlich risikoreich anzusehen sind wie Non-Investment-Grade-Anleihen. Da die EZB im Rahmen ihrer Anleihekaufprogramme ausschließlich Investment Grade Anleihen erwirbt, ergeben sich für uns im Bereich der nicht gerateten bzw. Non-Investment Grade-Anleihen zusätzliche Renditechancen.
Thomas Pethofer: Hier muss man natürlich genau analysieren. Bei den Non-Investment-Grade-Anleihen handelt es sich um Titel von Unternehmen, die wir sehr gut kennen, und wir kaufen auch nur Anleihen, wenn das Emissionsvolumen mindestens 250 Mio. EUR beträgt. Das Ziel ist ja, Unternehmen zu finden, bei denen ein Upgrade-Potential analytisch ableitbar ist, um diese Papiere dann frühzeitig ins Portfolio aufzunehmen.
Sawazki: Die Basis jeder Investmententscheidung ist die tiefgehende Unternehmensanalyse. Ob wir dann auf der Aktien- oder der Rentenseite landen, hängt vom jeweiligen Vehikel ab. Ich denke, gerade auf der Rentenseite ist das heute die einzige Chance, um auf besagtes Renditeziel zu kommen. Das ist tiefgehende, sehr ausführliche Researcharbeit.
Aktive Anlagepolitik auf Basis tiefgehenden Researchs, sind das die Prämissen Ihrer Strategie?
Sawazki: Ja, ich denke das bringt es kurz auf den Punkt. Wenn eine Stiftung heute Bundesanleihen kauft und einfach liegen lässt, werden ihre Erträge nicht mehr ausreichend sein. Eine aktive Anlagepolitik ist also vonnöten, aber gepaart mit einem sehr aktiven Risikomanagement. Wenn es Fehleinschätzungen im Portfolio gibt, und davor ist keiner gefeit, dann darf das Gesamtportfolio darunter eigentlich nicht leiden. Ein solches Risikomanagement geht aber nur auf Basis klarer Leitplanken, wie man die Bausteine bei Aktien und Renten nutzt.
Pethofer: Das gute alte Kaufen und Liegen lassen funktioniert nicht mehr, und gerade kleinere Stiftungen werden sich schwer tun mit dem Aufbau eines aktiven Managements im Rentenbereich. Die Zinsen werden niedrig bleiben, so sehen wir es zumindest. Vor diesem Hintergrund muss es einen Schwenk in der Anlagepolitik auch bei Stiftungen geben.
Sawazki: Die Situation ist ja auch für viele andere Anleger eine neue. Früher konnte ich auslaufende Anleihen durch neue ersetzen, die in etwa denselben Kupon aufwiesen. Das ist seit zwei Jahren vorbei. Stiftungen spüren jetzt das erste Mal, was es heißt, Geld, das ich bisher in eine Anleihe mit 4% Zins angelegt hatte, zu null Prozent anlegen zu müssen. Das ist etwas völlig Neues, und die Situation wird sich mit dem Auslauf von Altbeständen massiv verschärfen. Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass dies aktives Risikomanagement verlangt, was auf ausgiebigem Research beruht, dann vermute ich, dass dies viele Stiftungen nicht werden leisten können. Gerade deshalb ist auch die Transparenz hinsichtlich Personen und Prozesse so wichtig, und hier erhalten Stiftungen über den Transparenzbericht ja einen Einstieg. Stiftungen brauchen auch in diesem Bereich Unterstützung, sie brauchen ein Mehr an Information.
Können Sie die Eckpfeiler Ihres Risikomanagement noch einmal beschreiben?
Sawazki: Wir haben dem Fonds, orientiert an den Bedürfnissen des Werterhalts bei Stiftungen, Leitplanken gegeben, die der wesentliche Baustein des Risikomanagements sind. Denn daran müssen wir uns halten. Bei den Unternehmensanleihen investieren wir eben nicht in Emissionen, die kleiner waren als 250 Mio. EUR. Damit schließen wir Investments in MicroCaps oder Mittelstandsanleihen von vorn herein aus. Das zweite ist, dass es zum Beispiel für Aktien eine Höchstgrenze von 35% gibt. Drittens versuchen wir, ein breit diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Wir setzen folglich auf 30 bis 40 Einzelaktien und 50 bis 60 Einzelrentenpapiere, von denen jeweils kein Wertpapier mehr als 5% am Portfolio ausmachen darf. Das muss streng eingehalten werden. Passiert dann bei einem Einzelwert doch mal etwas, hat das nicht sofort signifikanten Einfluss auf das Fondsportfolio. Außerdem haben wir auf Fondsebene auch eine fundamental getriebene Risikosteuerung, die stark auf statistischen Parametern beruht. Wir analysieren hier ökonomische Sensitivitäten, also die Abhängigkeit des Portfolio zum Beispiel von Währungsrelationen, von Positionierungen in den Emerging Markets oder auch Änderungen in der Regulierung oder der Zinspolitik in den USA. Der letzte Baustein des Risikomanagements sind die bereits genannten Corporate Events. Es gibt Sondersituationen bei Unternehmen, etwa Verkäufe von Unternehmensteilen oder Aktienrückkäufe, die losgelöst vom breiten Markt einen wenig korrelierten Performancebeitrag liefern können. Gerade diese Loslösung bewirkt, dass das Risikoprofil des Gesamtportfolios flacher wird.
Pethofer: Wir bekommen täglich zudem von unserer KVG einen Risikobericht, aus dem wir ersehen, wie wir aktuell bei den Risikopositionen aufgestellt sind. Ein Ampelsystem zeigt an, wo wir uns erklären müssen. Wenn alle Ampeln auf Grün stehen, ist alles im Lot. Aber schon wenn eine Ampel auf gelb geht, müssen wir der KVG erklären, ob und in welchem Umfang wir Maßnahmen diesbezüglich eingeleitet haben und wenn nicht, warum nicht. Bei einem roten Ampelsignal wären wir dazu zum Handeln aufgefordert. Seit Auflage sind wir aber noch nicht ein einziges Mal annähernd in den roten Bereich gekommen.
Werden wir einmal hypothetisch: Angenommen die Bundestagswahl nimmt einen überraschenden Ausgang. Wie würde das Risikomanagement dann aussehen?
Sawazki: Wichtig ist, dass Risikomanagement vor allem vorausschauendes Management ist. Wer sich am Tag der Wahl Gedanken über mögliche überraschende Ausgänge macht, der macht etwas verkehrt. Im Falle einer Wahl lassen sich zum Beispiel aus den Abständen der Kontrahenten Wahrscheinlichkeiten für den Wahlausgang ableiten, und je enger es wird, desto eher müssten wir reagieren. Im Risikomanagement hieße das Aktienquoten reduzieren, eventuell Absicherungen aufbauen und schauen, inwieweit ein Wahlergebnis Unternehmen tangiert. Es gibt Unternehmen, denen ist es egal, wer in Deutschland regiert, es gibt andere Unternehmen, die reagieren extrem sensibel auf Änderungen in Berlin. Nach einer Wahl gibt es Gewinner und Verlierer, und das würden wir im Vorfeld für uns sortieren.
Pethofer: Beim Brexit haben wir eine Liste gemacht mit Werten und Einschätzungen, wer bei welchem Ausgang wie reagieren würde. Wichtig ist, dass wir dies weit vor dem Brexit bzw. dem Entscheid dazu gemacht haben. Tritt ein Ereignis ein oder wird dies wahrscheinlicher, dann wird auf Basis dieser Liste im Portfolio reagiert. Hinsichtlich der Bundestagswahl in diesem Jahr sind wir noch entspannt, da sich in Deutschland weiterhin ein gemäßigter wirtschaftsfreundlicher Kurs abzeichnet.
Wenn wir schon bei der Zukunft sind: Wo werden künftig eher die Erträge herkommen? Aus Zinsen oder Dividenden?
Sawazki: Es wird in unseren Augen weiterhin aus beiden Quellen kommen. Wenn in zwei drei Jahren der Zinsanhebungstrend einsetzt, dann wird man aber nochmal genau schauen müssen. Die Geldmarktzinsen werden aber in den nächsten Jahren nicht auf frühere Höhen zurückkehren, sondern wir werden vielleicht 1% sehen. Eine Bundesanleihe wird also aus dem Negativbereich in Richtung 1% laufen. Das wird aber noch lange nicht ausreichen, die Erwartungen der Stiftungen zu erfüllen, insofern muss man Stiftungen enttäuschen. Wir werden auf Jahre hinaus niedrige Zinsen sehen, aufgrund der hohen Verschuldung vieler Staaten, einer nur moderat wachsenden Weltkonjunktur bei gleichzeitig geringem Preisauftrieb. Niedrige Zinsen werden uns also noch eine Weile begleiten.
Was wiederum bedeuten kann, dass Stiftungen Ihr Kapital zunehmend in professionelle Hände geben sollten. Dann harren wir der Dinge, die da auf Stiftungen zukommen. Haben Sie vielen Dank für die vielfältigen Einblicke in Ihre Arbeit.
Das Interview führte Tobias M. Karow.
Hinweis: Das Transparenzberichtsarchiv Landert Stiftungsfonds AMI I finden Sie hier.