Auf einen Cappuccino mit Ralf Schwind

Ralf Schwind
Auf einen Cappuccino mit…

„Weniger als 10% der Erträge aus dem Nominalbereich“

transparenzbericht.com im Gespräch mit Ralf Schwind, Vorstand Merck Finck Stiftung und Direktor bei Merck Finck Privatbankiers, über den Wandel in der Anlagepolitik von Stiftungen.

transparenzbericht.com: Die Kapitalanlage wird für Stiftungen immer stärker zur Herkulesaufgabe. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht derzeit dar?
Ralf Schwind: Der Handlungsdruck bei Stiftungen kommt daher, dass viele Stiftungen nach wie vor stark im Anleihebereich unterwegs sind, also im Nominalwertbereich. Dort nimmt der Druck jedoch drastisch zu, da Stiftungsaufgaben dauerhaft erfüllt werden müssen, gleichzeitig aber der Zinsertrag dafür nicht mehr ausreicht. Wenn eine Stiftung jetzt damit anfängt, sich umzuorientieren, dann dauert es zudem unter Umständen ein wenig, bis die Erkenntnis reift, sich stärker im Sachwertbereich zu engagieren. Die Umsetzung dessen kann man dann vergleichen mit einem Öltanker, der die Richtung wechselt.

transparenzbericht.com: Bei der Merck Finck Stiftung haben Sie die Richtung bereits gewechselt. Wo liegen Ihre Schwerpunkte heute?
Schwind: Wir haben hier schon vor geraumer Zeit umgesteuert, diversifizieren inzwischen aber noch stärker. Seit geraumer Zeit schauen wir daher, wie wir in den Private Equity-Bereich kommen könnten, was jedoch nicht ganz einfach ist. Die Ticketgrößen für ein Investment liegen zum Teil sehr hoch und stellen eine echte Einstiegshürde dar, da müssen wir uns erst herantasten.

transparenzbericht.com: Wie stellt sich die Ertragsstruktur momentan dar? Woher stammen also die Erträge?
Schwind: Grundsätzlich müssen zunehmend ausbleibende Erträge aus dem Anleihebereich durch andere Erträge substituiert werden. Bei uns stammen weniger als 10% der Erträge aus dem Nominalbereich, also Anleihen und sonstigen Festverzinslichen. Zu 80% sind wir in Sachwerten investiert, und hier zu aktuell 13% bei Alternativen Investments. Unsere Anlagerichtlinie ließe hier bis zu 20% zu, eine Erhöhung in Richtung dieser 20% wird dann aber vermutlich zu Lasten der Aktien- und Immobilienquoten gehen. Das diversifiziert unser Ertragsprofil jetzt schon erheblich, dazu kommen noch Optionsgeschäfte bzw. Ausschüttungen aus Investmentfondsanteilen, hier vor allem aus Immobilienfonds. So sieht unser roter Faden aus, den wir auch transparent machen und sauber dokumentieren, und der es uns auch ermöglicht, unseren Verpflichtungen nachkommen zu können. Das ist ja das, was das Finanzamt vor allem prüft, ob ich mir als Stiftung die Steuerfreiheit auch verdiene, indem ich regelmäßig Erträge auskehre, also fördere. Kapitalanlage ist aus Stiftungssicht heute wie eine Tonne Honig bei minus 30 Grad: Es ist zäh. Daran vorbei kommen die Verantwortlichen jedoch nicht.

transparenzbericht.com: Was ist Ihre Zielvorgabe die Erträge betreffend?
Schwind: Wir haben das Ziel, unseren Zustiftern einen verlässlichen Zahlungsstrom darzustellen. Für die Projekte der Zustifter sollen jährlich mindestens 2% ausgekehrt werden. Mit Anlagen aus der „mündelsicheren Welt“ wird das jedoch nicht zu schaffen sein. Bis zu einem gewissen Punkt ist die bisherige Anlagepolitik vieler Stiftungen auch verständlich, vor allem weil sie in den letzten 30 Jahren mit einer reinen Anleihenstrategie gut gefahren sind. Künftig wird das jedoch nicht mehr so funktionieren, da muss man kein Prophet sein . Stiftungen werden womöglich noch Performance mit Anleihen generieren können, aber der Cashflow versiegt doch sukzessive. Hier muss aber der Fokus drauf liegen. Noch 2008 waren auch wir ausschließlich in Zinspapieren investiert, danach kamen der Aktienbereich und Optionsprämien hinzu. Im vergangenen Jahr haben wir dreimal soviel Optionsprämien vereinnahmt wie Zinserträge. So ändern sich die Zeiten.

transparenzbericht.com: Müssen Stiftungen ihre Anlagerichtlinie nicht unter Hochdruck zeitgemäß machen?
Schwind: Man muss fast den beneiden, der keine Anlagerichtlinie hat und auf der grünen Wiese damit anfangen kann. Wenn eine Stiftung eine üblicherweise defensiv ausgestaltete Anlagerichtlinie hat, was oftmals vor allem sicherheitsorientierte Anlagen umfasst, dann ist das Spielfeld, auf dem die Stiftung agieren darf, gar nicht mehr so groß. Im Anleihebereich fallen dann Währungsanleihen oder High-Yield-Anleihen schnell heraus, nur bekomme ich bei den sicheren Triple-A-Bundesanleihen nicht mehr genügend Ertrag heraus. Das kann also nicht die Lösung sein.

transparenzbericht.com: Sind denn Stiftungen, die selber nicht über ausreichend Knowhow für die Kapitalanlagesphäre verfügen, nicht dazu angehalten, ihre Vermögensverwaltung zu delegieren?
Schwind: Bei 10 Mio. plus x Stiftungsvermögen kann ich als Stiftung schon breit streuen. Hier kann ich auch die so genannten Stiftungsfonds immer noch berücksichtigen, genauso wie es bei kleineren Stiftungen fast schon gesetzt sein sollte, mit Fonds zu arbeiten. Je größer eine Stiftung ist, desto weniger muss sie Mischfonds beimischen. Je kleiner eine Stiftung ist, desto weniger kommt sie für mich gerade vor dem Hintergrund der Anleihemalaise an Fonds vorbei. Kleinere Stiftungen können nicht über Einzelwerte kommen, bei Anleihen scheitert das ja schon immer häufiger an den Mindestgrößen.

transparenzbericht.com: Müssen Fonds für Stiftungen speziell ausgestattet sein?
Schwind: Ich denke, der Adressat ist wichtig. Eine Stiftung ist in der Dokumentationspflicht gegenüber der Aufsicht, dem Finanzamt und auch Spendern oder Zustiftern. Denen gegenüber muss ich belegen, dass ich professionell und vertrauensvoll mit dem Geld umgehe und danach meine Instrumente aussuche. Dementsprechend ist der Trend, dass sich Fonds, die Stiftungen als Anleger gewinnen wollen, einer größeren Informationstiefe verschreiben, nur richtig. Der Transparenzbericht setzt ja hier genau an. Für Stiftungen wiederum, die Spenden einwerben, öffnet ein Transparenzbericht eine neue Ebene des Erkenntnisgewinns. Diese Stiftungen verwalten ihre Gelder ja häufig selber und brauchen belastbare Überwachung und Kontrolle, damit zum Beispiel Spender wissen, dass mit ihrem Geld richtig und sachgerecht umgegangen wird.

tranparenzbericht.com: Es ist interessant, dass Sie diese beiden Dimensionen direkt ansprechen.
Schwind: Naja, neben Jahresbericht und Tätigkeitsbericht ist ein Transparenzbericht ein starkes Signal, sich Spendern gegenüber nachvollziehbar zu geben. So ein Werkzeug kann einem semi-professionellen institutionellen Anleger schlicht den Rücken frei halten.

transparenzbericht.com: Ein interessanter Aspekt. Wir danken Ihnen für Ihre sehr detaillierten Einblicke.
Das Interview führte Tobias M. Karow.


Hinweis: Das Transparenzberichtsarchiv des Merck Finck Stiftungsfonds finden Sie hier.