Auf einen Cappuccino mit Christoph Eckart

Auf einen Cappuccino mit Christoph Eckart
Auf einen Cappuccino mit...

„Indikatoren sind gut, die Wirklichkeit ist meist besser“

Ein Tischler in El Salvador erzählt off the record schon mal die ganze Wahrheit. So erzählt es Christoph Eckart, Fondsmanager des Dual Return Vision Microfinance, beim Rückblick auf einen Vor-Ort-Besuch und ein Gespräch mit einem Mikrokreditempfänger. Im Gespräch berichtet er weiter, wie er für den Fonds die geeigneten Investments findet und welche Bedeutung für ihn das Makrobild eines Landes hat. Selten ist das Bild dabei eindeutig, insgesamt aber dürften Mikrokredite weiter ein Wachstumsfeld bleiben.

Ganz kompakt: Was sind die wesentlichen Dinge, die ich zu einem bzw. Ihrem Mikrofinanzfonds wissen muss?
Christoph Eckart: Für Anleger im europäischen Raum ist neben dem wirtschaftlichen Ertrag auch zunehmend die soziale Komponente einer Anlage entscheidend. Sie fragen sich immer häufiger, ob es rein die Rendite sein muss oder ob mit dem investierten Geld nicht auch noch eine Art Wirkung entfaltet werden kann. Mikrofinanz hat nun den Vorteil, genau das mit Inhalt zu füllen. Vor allem zeigt sich Mikrofinanz als weitgehend unkorreliert zu den traditionellen Kapitalmärkten, weil Investitionen hier in die Realwirtschaft getätigt werden. Entsprechend ist Mikrofinanz auch relativ unempfindlich gegenüber Zinsänderungen, und die Wertentwicklung erfolgt weitaus stabiler als bei einer Aktie oder einer Anleihe. Letztlich liegt die Rendite 150 bis 200 Basispunkte über dem EURIBOR.

Jetzt waren die Renditen auch im Mikrofinanzbereich schon mal höher. Was ist hier Ihre Erklärung für den Rückgang der Renditen?
Eckart: Jene Kredite, die wir an die Mikrofinanzinstitute bzw. die Kooperativen ausreichen, wurden in den vergangenen Jahren niedriger verzinst, das ist richtig. Einmal wuchs die Zahl der Anbieter von Mikrokrediten, zum anderen entwickelten sich die Regionen, was immer einen Rückgang von Zinskosten für Ausleihungen zur Folge hat. In Peru zum Beispiel haben kommerzielle Banken den Mikrofinanzbereich für sich entdeckt und wurden hier aktiv. Im Resultat gingen die Renditen zurück. Wir waren 2010 noch bei gut 8%, sind heute noch bei 6,5% in US-Dollar. Der Hintergrund ist sicherlich auch, dass unsere Darlehen zum großen Teil in US-Dollar veranlagt werden, aber in Euro abgesichert werden müssen. Da die Absicherungskosten durch die Währungs- und Disparitäten gestiegen sind, blieb unter dem Strich für den Euroanleger weniger übrig.

Wie aufnahmefähig für Anlagegelder ist denn der globale Markt für Mikrofinanz überhaupt?
Eckart: Wir dürfen das wahre Potential nicht überschätzen, wichtig für uns als Investor ist, die richtigen Mikrofinanzinstitute zu finden. Deren Zahl wächst mit der Zahl der vergebenen Mikrokredite, aber es muss immer die wirtschaftliche mit der sozialen Perspektive zusammenpassen. Diejenigen Mikrofinanzinstitute, die das gewährleisten können, die muss man erst einmal finden. Aus Fondssicht wäre es wenig sinnvoll, das Risikoprofil zu verändern, nur um schneller neue Mittel investieren zu können. Das wäre ein Fehler. Insofern ist das sicherlich der limitierende Faktor, sobald es Fonds gibt, die ihre Kriterien lockern, dürfte es unruhiger werden. Dass der Markt angesichts von 2 bis 3 Milliarden Menschen in sich entwickelnden Ländern ohne Zugang zu Finanzdienstleistungen riesig ist, ist klar. Aber auch nicht jeder dort ist zum Kleinunternehmer gemacht, und nicht jedes Mikrofinanzinstitut arbeitet so, dass wir dort Darlehen hin vergeben können.

Wie beginnen Sie nun mit der Analyse der Mikrofinanzmärkte?
Eckart: Zuerst interessiert uns die Makrosicht, also wo sich ein Mikrofinanzinstitut befindet. Wir müssen den Kontext kennen, in dem das Unternehmen agiert bzw. Mikrokredite vergibt. Wenn in einem Land zum Beispiel Wahlen sind, die das große Bild eventuell komplett verändern, muss man sich diese Makrosicht aneignen. Da die Mikrokredite bzw. auch unsere Investments in der Realwirtschaft angelegt sind, etwa bei einem Friseur auf den Philippinen oder einer Schuh-Manufaktur in Peru sind die Investitionen weitgehend unabhängig von politischen Entwicklungen zu sehen. Politische Umschwünge haben die Rückzahlungsquoten in der Vergangenheit kaum tangiert. Als 2008 in Georgien Unruhen ausbrachen, konnten die Mikrofinanzinstitute trotzdem ihre Verpflichtungen uns gegenüber pünktlich erfüllen. Auch als Russland die Krim annektierte, hatte das kaum Einfluss auf das Mikrofinanzgeschäft in der Region, und wir konnten sogar unser Engagement dort reduzieren. Eigentlich stünde ja zu vermuten, dass dies mangels Sekundärmarkt nicht möglich sei, wenn es in einem Land mal etwas schwieriger wird. Aber Darlehen können ja bewusst nicht verlängert werden. In Eurasien haben wir das Engagement auf mittlerweile unter 10% reduziert.

Sie können also auf politische Verwerfungen reagieren, aber nicht ganz kurzfristig.
Eckart: Richtig. Der Mikrofinanzkreislauf ist weitgehend entkoppelt vom sonstigen Wirtschaftskreislauf, also zumindest ist es das Ziel, dass dies so ist.

Wenn wir auf die Mikroebene schauen, was sind dann die Faktoren, auf die Sie schauen?
Eckart: Von einer wirtschaftlichen Komponente aus ist der Portfolio at Risk, also der Anteil der Kleinunternehmer, die ihre Darlehen nicht oder nicht zeitgerecht beglichen haben, die entscheidende Größe. Dies lässt sich auf Monatssicht aber auch auf 3 Monate sehr gut analysieren. Hieraus lässt sich die Qualität eines Kreditportfolios ableiten, immer wenn der Anteil steigt, ist Vorsicht geboten. Ebenso ist für uns die Gewinnmarge der Mikrofinanzinstitute sehr interessant. Die Marge liegt grob gesagt im Mittel bei etwa 5-10%. Steigt sie über diese Schwelle, müssen wir uns Gedanken über den sozialen Auftrag machen. Insofern ein Mikrofinanzinstitut von einer Bank gekauft wird, ist das meist auch ein Punkt, an dem wir – in manchen Fällen leider – unser Engagement beenden müssen. In Lateinamerika haben wir das in den vergangenen Jahren des Öfteren gesehen, in der Regel werden unsere Darlehen in solchen Fällen vorzeitig zurückgezahlt.

Dies zeugt ja von einer Entwicklung, die positiv zu bewerten ist.
Eckart: Definitiv, aber jede Medaille hat zwei Seiten. Einmal ist es natürlich begrüßenswert, wenn sich ein Markt entwickelt und Banken Mikrofinanzinstitute übernehmen. Das heißt ja, dass hier Modelle entstehen, die funktionieren, dass auf der Mikroebene Unternehmertum entstanden ist. Aus Sicht der sozialen Komponente heraus ist das schön zu sehen. Auf der anderen Seite fallen für uns damit dann hier und da langjährige Partner weg, und für uns beginnt dann die Suche nach neuen Partnern wieder von vorn.

Zu Ihrem Ansatz gehört auch, sich vor Ort ein Bild der Mikrofinanz-Mechaniken zu machen. Mit welchen Erwartungen machen Sie solche Reisen?
Eckart: Wir versuchen, zwei bis dreimal pro Jahr in einzelne Länder zu reisen und uns ein Bild der tatsächlichen Lage bzw. des Mikrofinanzmarktes vor Ort zu machen. Indikatoren sind gut, die Wirklichkeit ist meist besser. Wenn wir Mikrofinanzinstitute besuchen, dann um diese besser kennenzulernen und zu eruieren, ob man die Zusammenarbeit ausbauen kann. Manchmal finden wir durch eine Reise auch neue Ideen für eine Investition. Wir wollen uns zudem vergewissern, dass die Gelder auch tatsächlich bei den Kleinkunden ankommen, deshalb besuchen wir solche auch immer im Rahmen einer solchen Reise. Wenn wir mit Kleinkunden unter vier Augen sprechen, also ohne dass die Mikrofinanzinstitute anwesend sind, erfahren wir auch immer interessante Details, die unser Bild zu unseren Investments komplettieren. Ein Tischler aus El Salvador erzählt dann schon einmal, was besser laufen könnte oder wo es vielleicht hakt.

Lassen Sie uns ausgehend davon noch in die Zukunft des Mikrofinanzmarktes blicken. Was haben Sie für Ihren Ansatz für diese Zukunft aus den Krisen, die es gab, gelernt?
Eckart: In meinen Augen hat vor allem eine Krise große Wellen geschlagen, jene in Indien 2010. Damals waren wir dort nicht investiert, weil der Markt nicht reguliert war und es gab keine Kreditbüros oder Kreditschutzverbände, man hat sich in nahezu unreguliertem Raum bewegt. Das gefiel uns nicht, im Süden Indien haben sich diese Fehlentwicklungen dann entladen. Wenn ich mir anschaue, wie aus diesen Versäumnissen beispielsweise in Kambodscha gelernt wurde, dass es eben eine einheitliche Marktaufsicht geben muss. Wohin die Reise geht, ist spannend zu sehen. In meinen Augen werden wir Mikrokredite künftig nicht mehr nur an Einzelunternehmerinnen und -unternehmer vergeben, sondern auch an Mikrounternehmen, also solche mit vielleicht 4 oder 5 Angestellten.

Also Mikrokredite an Quasi-KMUs?
Eckart: Ganz genau. Das ist eine sehr schöne Entwicklung, wenn Sie mich fragen. Es schält sich dort ein Rückgrat für die Volkswirtschaften in diesen Ländern heraus, dass hierzulande oder auch in der Schweiz oder in Österreich für den wirtschaftlichen Erfolg dieser Länder maßgeblich verantwortlich zeichnet. Durch KMUs, die bereits Angestellte haben, erhöht sich aber das Kleinkreditvolumen, woraus wiederum Wachstum für uns als Darlehensgeber resultiert. Dies hängt auch von den Entwicklungsstadien ab. KleinunternehmerInnen in Indonesien bekommen nicht selten einen Mikrokredit in Höhe von 50 US-Dollar, während es für KMUs im Kaukasus schon 5.000 US-Dollar sind. Dort ist die Entwicklung einfach schon viel weiter. In einer globalisierten Welt ist es gut zu sehen, dass das komplette Wohl der Schwellenländer nicht vollends von großen und global agierenden Unternehmen abhängt.

Inwiefern evaluieren Sie das die soziale Auswirkung, was vor Ort passiert?
Eckart: Wir betrachten uns das, was in den Mikrofinanzinstituten passiert, auf sieben Ebenen und versuchen darüber, die soziale Rendite zu greifen. Wir schauen uns zum Beispiel an, wie das Arbeitsklima ist, wie ist die Produktqualität aus Sicht des Kunden, sind die Geschäftspraktiken inklusiv aufgesetzt, werden also nur Menschen in Städten mit Krediten und Sparmöglichkeiten versorgt. So kommen wir der sozialen Rendite auf die Spur und auch dem Entwicklungspfad, die das jeweilige Mikrofinanzinstitut beschreitet. Wir wollen das was dort geschieht nachvollziehbar machen, das ist auch unsere Haltung zum Thema Transparenz. Anleger müssen verstehen können, wie ein Mikrokredit funktioniert und was mit ihm angeschoben bzw. ausgelöst werden kann. In 10 Jahren wird das Gang und Gebe sein, heute wird das Thema Nachvollziehbarkeit von der Industrie insgesamt noch nicht ganz groß geschrieben.

Umso wichtiger ist es, dass Sie weiter vorangehen und zum Beispiel Ihren Fonds mit dem Transparenzbericht ausstatten. Haben Sie vielen Dank für den ausführlichen Einblick in die Welt der Mikrofinanz.

Das Interview führte Tobias M. Karow.

Hinweis: Der von C-Quadrat gemanagte Mikrofinanzfonds Dual Return Vision Microfinance wird seit 2017 mit dem Transparenzbericht ausgestattet. Sie finden das Dokument, sowie die kompakte und damit leserfreundliche Managementversion als E-Magazin hier hinterlegt.