Auf einen Cappuccino mit Dr. Christiane Stahl

Dr. Christiane Stahl
Auf einen Cappuccino mit...

„Die Ruhe haben, das auszusitzen“

Berlin, ein Innenhof gegenüber dem Sitz der Alfred Ehrhardt Stiftung. Bei einem Cappuccino erläutert Dr. Christiane Stahl, Geschäftsführerin der Alfred Ehrhardt Stiftung, welche Themen sie in ihrer täglichen Stiftungspraxis derzeit beschäftigen und warum sie bei der Kapitalanlage entspannt ihren Pflichten nachkommt.



Kürzlich war der Deutsche Stiftungstag in Osnabrück. Waren Sie dort vor Ort?
Dr. Christiane Stahl: Nein, war ich nicht, es ist mir etwas zu viel Trubel insgesamt. Was mich bei Veranstaltungen interessiert ist, wie andere Stiftungen dieses oder jenes Problem lösen.

Sie wollen also auf die Ebene des Erfahrungsaustauschs?
Dr. Christiane Stahl: Ganz genau. Wenn ich eine Stiftung bin, habe ich Fragen und Probleme, und die will ich auch mal mit anderen Stiftungen diskutieren und dabei lernen, wie es andere machen. Wir als Kulturstiftung müssten uns dann mit Stiftungen mit ähnlichen Zwecken austauschen, nur dies wird mir auf den Stiftungstagen nicht richtig ermöglicht, denn man findet diese Stiftungen nur schwer. Mich interessiert schon, wie die Satzungen anderer Stiftungen aussehen und wie der Vorstand zum Beispiel Entscheidungen organisiert. Wir haben uns dazu einmal mit Rupert Graf Strachwitz (mit Graf Strachwitz sprachen wir im Vorfeld des MünchnerStiftungsFrühlings, Anm.d.Autors) ausgetauscht, das war für mich zum Beispiel sehr spannend.

Was hat er Ihnen geraten?
Dr. Christiane Stahl: Er riet uns, einen Beirat zu gründen, was wir bisher aber noch nicht umgesetzt haben. Die Frage, die sich hier stellt ist, inwiefern die Freiheitsgrade der Geschäftsführung etwa in der Erstellung des Programms durch einen Beirat beschnitten werden könnten. Da bin ich mir noch nicht sicher. Ein Beirat kann allerdings Türen öffnen und auch für das Sammeln von Geld eine wichtige Rolle spielen. Aber beides ist für uns eher weniger relevant. Ein Beirat kann aber nützlich sein, wenn die Nachkommen des Künstlers eines Tages entscheiden sollten, einen für die Stiftung ungünstigen Kurswechsel einzuleiten, dann könnte ein Beirat als Korrektiv nützlich sein. Was wir angefangen haben umzusetzen ist die Erweiterung des Vorstands, mittlerweile sitzt die Enkelin von Alfred Ehrhardt mit im Vorstand. Außerdem fand Graf Strachwitz die Satzung zu dünn, ihm hätte es besser gefallen, wenn noch mehr Direktiven enthalten wären. Etwa was die Stiftung alles leisten soll und welche Rolle Beirat und Kuratorium gegebenenfalls noch spielen sollten. Dies alles würde der Leitung der Stiftung, also mir, noch mehr Sicherheit geben und die Verantwortung auf mehrere Gremien verteilen. Bei den Finanzen blickt Dr. Jens Ehrhardt noch selber drauf, da sehe ich weniger Probleme und da braucht es auch nicht mehr Sicherheit für die Geschäftsführung der Stiftung.

Wenn wir beim Thema Sicherheit bleiben, sind solche Dinge wie Haftung für Sie aussortiert?
Dr. Christiane Stahl: Naja, Haftung kann ja nur ein Thema werden, wenn etwas schief geht. Um dem vorzubeugen ist es meine Pflicht, zu schauen, wie unsere Investments laufen und Informationen zu den Fonds zu studieren. Wir haben in Fonds allokiert, also muss ich auf die Fonds schauen, wie diese sich entwickeln. Auf meinen Impuls hin wurden auch Aktien im Depot höher gewichtet, da ich eher nach dem amerikanischen Prinzip der Kapitalanlage geschult bin. Also haben wir vor etlichen Jahren einen Rentenfonds zum Beispiel in den Dividende und Substanz getauscht. Es ist absolut sinnvoll, langfristig einen relativ hohen Aktienanteil zu haben, in unserem Fall sind das rund 60%. Da das Stiftungskapital ja nicht angefasst werden soll, ist für mich die Aktie die beste Anlageform für eine Stiftung. In den Krisenphasen 2008 und 2009 liefen unsere Fonds auch durchaus mal schlechter, aber gerade wir Stiftungen können die Ruhe haben, das auszusitzen.

Eine sehr abgeklärte oder besser aufgeklärte Haltung zur Kapitalanlage.
Dr. Christiane Stahl: Es ist aber auch so, dass wir eher von den Zustiftungen von Herrn Ehrhardt leben als von den Erträgen, insofern kann ich so einen Satz entspannt aussprechen. Wenn es an den Märkten mal rappelt, dann ist das dann eben so, aber die Vergangenheit zeigt ja, dass sich insbesondere die Fonds von Vermögensverwaltern mit viel Erfahrung nach Krisen auch relativ zügig wieder erholen. Gerade Stiftungen können sich das zu Nutze machen. Wenn eines Tages aber das Modell eher weg von den Zustiftungen hin zu regelmäßigen Erträgen entwickelt wird, und wir denken da in Richtung einer Immobilie als Renditeobjekte, die dann der Stiftung gehört und aus der wir einen ausreichenden Ertrag generieren könnten, wäre das in meinen Augen ein ideales Investment.

Welche Themen treiben Sie derzeit noch um? Aus den Stiftungen hört man immer öfter mal das Wort Digitalisierung?
Dr. Christiane Stahl: Für uns ist Digitalisierung nichts Neues, wir sind da mittendrin, Digitalisierung gehört sozusagen zu unserer DNA. Wir arbeiten die Fotoarbeiten von Alfred Ehrhardt auf, die von uns sukzessive digitalisiert werden. Hierzu arbeiten wir mit der Deutschen Fotothek in Dresden zusammen, die ein so genanntes Archiv der Fotografen erstellt haben. Uns wurde dort geholfen, die Fotografien zu digitalisieren. Damit ist diese Fotothek ein wunderbares Schaufenster für uns, es macht unsere Arbeit richtig anfassbar. Diese digitale Nachlassverwaltung ist in meinen Augen für viele Stiftungen eine Chance der Entwicklung. Für uns stellt sich die Frage, ob wir das bisher nicht zugängliche Digitalarchiv der Arbeiten von Alfred Ehrhardt zugänglich machen. Der Fotoschatz ist eine tolle Basis, sich zu vernetzen, und das ist ein Kern der Digitalisierung. Für uns ist es eine Chance, uns auch international sichtbarer zu machen. Außerdem kann es immer sein, dass eines Tages die Negative nicht mehr verwendbar sind, oder dass bei Filmrollen der Prozess der Veressigung bereits angefangen hat, dann ist man umso dankbarer für professionelle Digitalisate.

Das Stichwort International würde ich gerne noch einmal aufgreifen. Was heißt das für die Alfred Ehrhardt Stiftung?
Dr. Christiane Stahl: Wenn wir Kooperationen mit internationalen Museen machen dürfen, dann ist das für uns international. Wir kooperieren sehr gerne mit Museen, wie jüngst mit dem Landesmuseum Oldenburg, wo wir das Konzept geliefert und die Exponate entsprechend recherchiert haben. Die Museen stellen den Raum zur Verfügung, von uns kommen schlüsselfertig die Inhalte, wenn Sie so wollen. Auch machen wir in so einem Fall den Katalog, der dann weit verbreitet wird. Das Ganze wiederum würde ich gerne auch mal ins Ausland bringen, aber das ist nicht einfach. Das wird für uns der nächste Schritt werden. Was wir bereits umsetzen ist, internationale Künstler bei uns zu zeigen, man fliegt die Künstler dann eben nicht aus Hamburg sondern aus New York oder Osaka ein. Andersherum, Alfred Ehrhardt in Japan zu zeigen würde mich ungemein reizen. Die Helmut-Newton-Stiftung zum Beispiel macht das, aber Helmut Newton ist auch deutlich bekannter als Alfred Ehrhardt. In Richtung Frankreich und Italien sind wir bereits unterwegs, es wird also.

Wie bekommen Sie mehr Schwungmasse?
Dr. Christiane Stahl: Die Grundbedingung wäre eine größere finanzielle Basis, und dann würde ich auch den Beirat entsprechend bauen. Nur, aus einem Alfred Ehrhardt kann man keinen Paul Klee machen. Alfred Ehrhardt ist nicht der Erfinder der Fotografie der Neuen Sachlichkeit, sondern er ist auf den Zug aufgesprungen und hat dann ein eigenes Profil ausgebildet. Er wird sogar inzwischen zu den vier großen Künstlern der Neuen Sachlichkeit gezählt, das ist bemerkenswert genug. Ich denke aber, und das gilt auch für Stiftungen, man sollte auf dem Boden der Tatsachen bleiben und lieber geschickt und intelligent netzwerken. Das können wir leisten, da sind wir sehr umtriebig. Auch das Verzahnen mit anderen Netzwerken, so wie es etwa die ERES Stiftung in München macht. Es gibt stets die Möglichkeit, dass sich gemeinsame Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung ergeben. Oft ist es nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Konzentration auf wichtige Punkte. Das richtige Profil ist es am Ende, je enger das Profil desto besser.

Da ist viel Wahres dran, an einer glatten Fläche bleibt nichts haften. Haben Sie vielen Dank für Ihre sehr detaillierten Einblicke in Ihre tägliche Arbeit.

Das Interview führte Tobias M. Karow.

Hinweis: Bei dem im Interview erwähnten Dividende & Substanz handelt es sich um den DJE Dividende & Substanz, der seit 2016 auch mit dem Transparenzbericht ausgestattet wird. Das Transparenzberichtsarchiv finden Sie hier.